„Von zuverlässigem Bahnverkehr kann keine Rede mehr sein“
Anfrage Schweickerts bringt große Probleme auf Residenzbahn zutage – zwischenzeitlich tausende Zugausfälle
Eine Kleine Anfrage (Drs. 17/5684) des FDP-Enzkreisabgeordneten Prof. Dr. Erik Schweickert macht deutlich, wie groß die Probleme der Eisenbahnverkehrsunternehmen GoAhead (IRE 1) und der SWEG Bahn Stuttgart (SBS) (MEX 17) auch im Jahr 2023 auf der Residenzbahn waren. „Eine Trendwende ist weiterhin nicht absehbar, stattdessen geht es weiter bergab. Von einem zuverlässigen Bahnverkehr kann aktuell keine Rede mehr sein. Ausfallende und verspätete Züge sind beinahe eher Regel als Ausnahme“, spricht der Liberale unverblümt aus, was Fahrgäste seit Monaten tagtäglich erleben. Allein im Sommer waren zwischenzeitlich tausende Züge ausgefallen, während die fahrenden Züge insbesondere in Richtung Stuttgart nur selten innerhalb der vertraglich noch als pünktlich definierten Vier-Minuten-Marke am Zielort ankamen.
Von einer weiterhin ernsten Situation spricht auch das Verkehrsministerium in seiner Antwort an den Enzkreisabgeordneten. Personalmängel, Infrastrukturmängel, hohes Baustellenaufkommen und nicht zuletzt Verspätungsübertragungen durch den Fernverkehr seien Hauptgründe für die Probleme und hätten schließlich dazu geführt, dass die vertraglichen Zielwerte auch 2023 deutlich verfehlt wurden. Schon im vergangenen Jahr hatte der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann die Schuld für die vielen Probleme zum großen Teil bei der Deutschen Bahn als Infrastrukturbetreiber ausgemacht. Ihr wirft sein Ministerium insbesondere mangelhafte Planung und Kommunikation von Baustellen und den allgemein schlechten Zustand der Infrastruktur, deren Mängel gerade auch im Sommer auftreten würden, vor. Man würde zwar intensive Gespräche führen, Maßnahmen würden jedoch nicht kurzfristig greifen und noch dazu würden auf Verbesserungen immer wieder Verschlechterungen folgen. Laut Schweickert würden die kommunikativen Probleme zwischen Land und DB Netz nun jedoch seit Jahren ohne Lösung anhalten. „Ich verstehe nicht, was so schwierig daran ist, sich wenigstens gegenseitig rechtzeitig über Baustellen und Infrastrukturmängel zu informieren. Von den ‚intensiven Gesprächen‘ des Landes mit der DB Netz spüren die Fahrgäste in jedem Fall bislang wenig“, zeigt der Abgeordnete sein Unverständnis.
Anders als im vergangenen Jahr schlug 2023 jedoch auch der Personalmangel bei GoAhead und der SBS voll zu. Ausgedünnte Fahrpläne im Sommer seien durch den generellen Fachkräftemangel, gestiegene Krankenstände und nicht zuletzt durch das Abwerbeverhalten von Personaldienstleistern begründet gewesen. Nicht zu Unrecht verlange das Land deshalb große Verbesserungen der beiden Betreiber in diesem Bereich, so Schweickert. Allerdings seien die Probleme im Personalbereich seines Erachtens teilweise auch hausgemacht. „Es ist völlig unverständlich, dass die Zukunft der SBS, die sich aktuell noch in Landeseigentum befindet, noch immer nicht geklärt ist. Dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dieser unklaren Situation eher geneigt sind, andere Jobangebote anzunehmen, kann nicht überraschen. Da darf sich der Verkehrsminister nicht wundern und braucht die Schuld für die hohe Personalfluktuation bei der SBS nicht auf private Mitbewerber schieben“, kritisiert Schweickert, dass weiterhin nicht bekannt ist, was künftig aus der ehemaligen Abellio-Gesellschaft werden soll.
Auf den ersten Blick erstaunlich wirkt in diesem Zusammenhang, dass die Pünktlichkeit des MEX 17 insbesondere bei der Ankunft in Pforzheim im Vergleich zum vergangenen Jahr sogar leicht verbessert ausfällt. Mit 62,53 Prozent war hier der September 2023 der schlechteste Monat, während im Mai mit 80 Prozent der diesjährige Spitzenwert erreicht wurde. Diese Marke war 2022 nie erreicht worden. Demgegenüber lässt sich in die Gegenrichtung eine deutliche Verschlechterung vermerken. So kamen in Stuttgart nie mehr als zwei Drittel aller Züge der SBS pünktlich an, häufig nur etwas mehr als die Hälfte. Im September traf dies gar nur auf 38,75 Prozent der Züge zu. Dabei ist zu beachten, dass die ausgefallenen Züge gar nicht in diese Statistik hineinfließen und davon gab es bei der SBS insbesondere zwischen Mai und September viele. So fielen im Juni 1095 Züge ohne Verschulden der SBS aus, aber auch 263 aus Eigenverschulden. Ab August kehrte sich das Verhältnis dann um. Wenigen fremdverschuldeten Ausfällen standen zunächst 880 und im September 604 selbstverschuldete Ausfälle gegenüber.
Deutlich weniger Probleme mit Ausfällen hatte 2023 zwar GoAhead, dafür ließ die Pünktlichkeit beim schnellen IRE 1 jedoch weiter zu wünschen übrig. Selbst an den üblicherweise zuverlässiger bedienten Zwischenhalten in Pforzheim und Mühlacker kamen selbst zu besten Zeiten nur 75-80 Prozent aller Züge rechtzeitig an. An den Halten in Karlsruhe und Stuttgart kann man davon wiederum nur träumen. Die Spitzenwerte wurden dort jeweils im Januar mit rund 72 Prozent pünktlicher Ankünfte erreicht. Im Oktober wiederum wurde der bislang bekannte diesjährige Negativwert erreicht. 52 Prozent der Züge kamen in Karlsruhe und nur 43 Prozent in Stuttgart pünktlich an.
Die vertraglich festgelegte Pünktlichkeit von 90 Prozent erreicht auch die AVG weiterhin nicht, auch wenn deren Züge noch am zuverlässigsten fuhren. Hier kamen bis auf eine Ausnahme durchgängig jedoch immerhin mindestens vier von fünf Zügen pünktlich am Messpunkt Wilferdingen-Singen an.
Kein Trost sei, dass GoAhead und die SBS aufgrund der Schlechtleistungen erneut hohe Vertragsstrafen zahlen müssen. Allein für das Jahr 2022 1,45 Mio. Euro. Für 2023 erwartet Schweickert erneut einen siebenstelligen Gesamtbetrag. Betreiber wie auch Land müssten nach seiner Ansicht angesichts der weiterhin weit verfehlten Zielwerte noch immer enorm daran arbeiten, endlich vertragsgemäße Leistungen auf die Beine zu stellen. „Die Entwicklung im Schienennahverkehr in der Region im Jahr 2023 ist bedenklich. Es geht immer weiter abwärts statt aufwärts und noch immer wird die Schuld hin- und hergeschoben. Es braucht endlich einer gemeinsamen Anstrengung von Land, DB Netz und den beiden Betreibern des MEX und des IRE“, fordert der Enzkreisabgeordnete.